In der vergangenen Woche war das Wetter nicht immer ganz so schön. Draußen wird es immer kälter und es regnet vermehrt, darum haben wir den Vormittag in unseren Räumen verbracht.
Unter anderem habe ich für die Kinder den Licht- und Schattenraum geöffnet, der gerne zum Erforschen von Farben im Verhältnis mit Licht, aber auch Dunkelheit genutzt wird. Zusätzlich spielt die Selbstwahrnehmung in diesem Raum immer wieder eine aktive Rolle. In dieser Woche habe ich auf dem Tisch ein paar Spiegelfliesen mit Blättern und bunten Stiften zur Verfügung gestellt und abgewartet, auf welche Ideen die Kinder kommen.
Es dauerte nicht lang, da fing Joost bereits an, sich ganz genau im Spiegel anzuschauen. Er nahm sich ein Blatt Papier und zeichnete zuerst seinen Kopf. Dann schaute er wieder hinein und malte seine Augen, bis sein Kopf ganz vollständig für ihn war. Auch Henrik fing an, sich vom Spiegel abzumalen. Allerdings fing er zuerst mit seinem Hals an, dann kamen noch die Schultern dazu, danach der Kopf und seine blonden Haare nicht zu vergessen. Er sagte: „Ich male meine Haare etwas durcheinander, weil sie so wuschelig sind.“
Leyla kam auf die Idee, ihr Gesicht direkt auf dem Spiegel aufzumalen. Sie fing mit ihren Augen an und dann kam die Nase dazu, bis hin zu ihrem Mund. Allerdings ist das gar nicht so einfach, aber sie hat es ganz toll hinbekommen. Zu guter Letzt hatten auch einige Kinder die Idee, den Spiegel aufrecht auf das Blatt zu stellen und dann direkt am Spiegel zu malen, sodass ihr Bild doppelt zu sehen war. Die großen Kinder fanden heraus, dass es auch möglich ist, nur ein halbes Herz zu malen und wenn man den Spiegel dranhält, ist das Herz komplett.
Interessant, was wir in dieser Woche alles herausgefunden und ausprobiert haben und wie faszinierend Spiegel sein können. Probiert es doch zu Hause auch einmal aus, vielleicht hat Mama ja noch einen kleinen Schminkspiegel, den ihr euch mal dafür ausleihen dürft.
Zum Thema spiegelbildliches Sehen fällt mir ein, dass viele Eltern meist große Sorgen haben, wenn ihr 5- oder 6-jähriges Kind plötzlich anfängt den Namen spiegelverkehrt aufzuschreiben, spontan von rechts nach links schreibt oder Buchstaben verdreht.
Ich kann euch alle beruhigen: Hierbei geht es nicht um Konzentrationsprobleme oder Entwicklungsverzögerungen, denn dieses Phänomen ist eine normale Phase im Schreiblernprozess. Als erstes verinnerlichen Vorschulkinder meist die Formen der Buchstaben, haben aber noch nicht die korrekte Orientierung von Buchstaben und Ziffern. Oft stützen sich die Kinder unbewusst auf Regeln, die für die Mehrheit der Zeichen gelten. So öffnen sich zum Beispiel die Buchstaben C, E, F, G, K, L alle nach rechts – nur das J bildet eine Ausnahme und wird daher häufig spiegelverkehrt geschrieben. Ähnlich ist es auch bei Ziffern, wie zum Beispiel bei 3 und 7. Auch die Schreibrichtung ist bei vielen Kindern noch nicht konkret verankert, sodass es häufig vorkommt, dass auch ganze Wörter spiegelverkehrt geschrieben werden.
Zusammengefasst kündigt das spiegelverkehrte Schreiben keineswegs eine Lese-Rechtschreib-Schwäche oder schlechtere Schulleistungen an. Es handelt sich hierbei um eine normale Phase beim Erwerb der Schreibkompetenzen.
Liebe Grüße aus dem Licht- und Schattenraum,
Eure Marina