Das kreischende Kind an der Supermarktkasse oder der wütende Ausraster beim morgendlichen Zähneputzen. In der sogenannten Trotzphase versuchen Kinder ihren Willen durchzusetzen – und das bringt Eltern so manches Mal ans Limit. Wir erklären, warum die süßen Kleinen in einem bestimmten Alter zu scheinbar rotzig-trotzigen Wutmonstern mutieren und wie wir ihnen und uns selbst durch diese Phase helfen können.
Rotzig, trotzig, motzig
Bei unseren britischen Nachbarn heißt sie „Terrible Two“, wir nennen sie meist die Trotzphase. Die Lebensphase, in der sich das bis dahin unkomplizierte und liebenswürdige Kleinkind plötzlich immer öfter in ein schäumendes Wutmonster verwandelt. Die Trotzphase beginnt etwa im Alter von 18 Monaten und kann bis zum sechsten Lebensjahr andauern. Ihren Höhepunkt erleben die meisten Kinder aber zwischen dem zweiten und dem dritten Geburtstag.
Denn im Alter von anderthalb Jahren beginnt das Kind, sich selbst als eigenständige Person zu begreifen. Es lernt, dass es selbst Dinge bewirken kann, teilweise sogar eigene Entscheidungen treffen darf. Das ist der Startschuss: Alles in diesem kleinen Menschen drängt nun nach neuen Erfahrungen, neuen Situationen, neuen Wegen. Das Kind will selbstständig werden, sich ausprobieren. Und dabei bitte nicht gebremst werden von Eltern, die für es völlig unverständliche Regeln aufstellen. Das Akzeptieren und Befolgen von Regeln setzt nämlich erst ab dem Alter von 3 Jahren ein.
Trotz- oder Autonomiephase?
Der Begriff Trotzphase ist eigentlich irreführend. Dazu muss man den entwicklungspsychologischen Hintergrund kennen. Was viele Erwachsene als Trotz und Widerstand wahrnehmen, ist eigentlich die Ablösung und das Selbstständig-werden-Wollen des Kindes. Diese Zeit des „Trotzens“ ist also ein wichtiger Entwicklungsschritt und Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes.
In der Trotzphase entdeckt das Kind seinen eigenen Willen und nimmt sich als denjenigen wahr, der eigenständig Handlungsziele definieren kann. Für das Kind sind das Meilensteine in seiner Ich-Entwicklung. Das Kind beginnt, autonom und somit selbstständig zu werden. Und genau diesen Zustand erleben Eltern oft als Widerstand, weil das Kind genau das Gegenteil von dem macht, was wir von ihm erwarten. Aber genau in dieser „Verweigerung“ liegt die (neue) Autonomie des Kindes. Klingt paradox, lässt sich aber anhand eines Beispiels gut nachvollziehen: Ich ziehe mich morgens nicht an oder ich komme nicht zum Essen und halte den Ablauf des Tages somit auf! Mein Einwirken hat Einfluss auf alle anderen! Eine wichtige Erfahrung für die Kinder und eine oft anstrengende Zeit für Eltern.
Heute weiß man, dass Kinder in der Autonomiephase vor allem deshalb in Widerstand gehen und „trotzen“, weil sie noch starr auf ein bestimmtes Ziel fixiert sind. Sie können noch nicht spontan umplanen oder sich schnell auf etwas anderes einlassen. Funkt ihnen ein Erwachsener dazwischen, weiß das Kind in diesem Moment nicht mehr ein noch aus. Es ist überfordert, erleidet in dem Moment eine Art inneren „Systemzusammenbruch“. Es ist nicht mehr in der Lage, die Situation zu überblicken oder zu kontrollieren, und gerät darum völlig aus den Fugen. Die Folge: Da Kinder in diesem Alter ihren Bedürfnissen zumeist sprachlich noch nicht differenziert Ausdruck verleihen können und es für sie eine große Frustration und eine emotionale Überforderung darstellt, wenn sie ihr Ziel nicht erreichen, können sie diesen Gefühlszuständen zunächst nur mit Weinen, Schreien und Sich-auf-den Boden-Werfen begegnen. Sie zeigen also jene Reaktionen, die wir Erwachsenen als „Trotzverhalten“ wahrnehmen.
Wie helfe ich meinem Kind durch die Trotzphase?
Für eine gute Begleitung der Kinder in dieser so wichtigen Lebensphase ist es also wesentlich, dass wir einerseits ihr vehementes Streben nach mehr Unabhängigkeit ernst nehmen und andererseits vielfältige kindgerechte Möglichkeiten für eigene Erfahrungen schaffen. (…) Wichtig für Sie als Eltern ist zu wissen: Das Kind macht jetzt wesentliche Entwicklungsschritte auf der emotionalen Ebene und lernt seine Gefühle kennen – das ist neu, weshalb das Kind Unterstützung von uns Erwachsenen braucht.
Wir haben fünf Tipps, wie Du und dein Kind gut durch die Trotzphase kommt:
1. Sei geduldig und hilf deinem Kind: Wenn deinem Kind etwas partout nicht gelingen will, dann hilf ihm leise. Nur so lange, bis es sich selbst helfen kann. Umgekehrt musst du auch auf dich achten: Wenn du merkst, dass dir der Geduldsfaden bald reißt, dann deeskaliere die Situation – zum Beispiel, indem du kurz den Raum verlässt.
2. Stelle klare Regeln auf: Stelle ein paar Grundregeln für den Alltag auf. Diese musst du dann konsequent umsetzen, damit dein Kind weiß, dass die Spielregeln für alle gelten. Aber beschränke dich nur auf die nötigsten Verbote. Ansonsten sollte dein Kind seinen Forscher- und Entdeckungsdrang ausleben dürfen.
3. Gefahren abwehren: Natürlich musst du dafür sorgen, dass dein Kind sich nicht während eines Wutanfalls verletzen kann. Manchmal hilft es, Situationen, die dein Kind oft überfordern, aufzuschreiben, um sie zu erkennen. So können sie in Zukunft vermieden werden.
4. Sorge für Ablenkung: Manchmal helfen ein paar beruhigende Worte oder aber etwas Zeit und Abstand. Vielleicht kannst du die schwierige Situation im Supermarkt auch mit dem mitgebrachten Lieblingskuscheltier oder einem Lied auflösen.
5. Nimm`es nicht persönlich: Du bist keine schlechte Mama oder Papa, weil dein Kind in der Öffentlichkeit laut schreit und eine Szene macht. Vertraue deiner Beziehung zu deinem Kind, denn du weißt, was das Beste für euch beide ist. Und wenn dir die Trotzphase über den Kopf zu wachsen scheint: Andere Eltern erleben die gleiche Phase – und sie geht vorbei!