Ich war gerade im Schlafraum und versuchte ein Kind zum Schlafen zu bringen, als Sontka ganz leise reinkam und mir eine Maske gab. Sie sagte, dass ein Kind bei uns infiziert sei und wir höchstwahrscheinlich in Quarantäne gehen müssten. Natürlich war ich innerlich etwas verunsichert und wurde unruhig. Dadurch konnte ich das Kind nicht mehr zum Schlafen bringen. Ich war selbst viel zu unruhig. Viele Fragen hatte ich im Kopf, die mir in dem Moment niemand beantworten konnte. Langsam kam auch die Wut, denn die Quarantäne passte mir an diesem Tag gar nicht. Um einige Termine und Besorgungen zu machen, hatte ich sogar extra meine Kinder zu Oma bringen lassen. Tja, nun mussten die Termine abgesagt werden. „Super“, dachte ich.
Nachdem Doris uns über die nächsten Schritte informiert hatte, bin ich sofort nach Hause gefahren und habe alle meine Planungen verlegt. Ich war mir total unsicher, wie ich mich jetzt zu Hause verhalten sollte? Der Anruf vom Gesundheitsamt kam lange nicht. Zwischendurch schrieben wir uns aus der Gruppe gegenseitig, um uns aufzubauen. Gegen Abend schrieb mir dann Sontka. Sie hatte mit dem Gesundheitsamt telefoniert und machte uns darauf aufmerksam, dass jetzt viel zu beachten wäre. Genau diese Worte gehen mir jetzt immer noch durch den Kopf.
Um mich abzulenken, habe ich mit einem Workout angefangen. Es steht ja überall geschrieben, dass man so den Kopf freibekommt. Ein paar Minuten später, klingelte dann aber auch schon bei mir das Telefon. Eine sehr nette und ruhige Stimme begrüßte mich. Sie stellte mir viele persönliche Fragen und sagte mir, dass ich mich bis Montag in Quarantäne begeben müsse. Dann kam die Belehrung. Ich solle mich komplett von meiner Familie isolieren, das heißt: alleine schlafen, das Bad getrennt von meiner Familie benutzen und gleich danach reinigen. Wenn wir uns nicht aus dem Weg gehen könnten, dann sollten wir eine Maske tragen, getrennt voneinander essen uvm.
Ich musste mich nun entscheiden, ob ich eins meiner Kinder mit in die Quarantäne nehmen möchte. Meine Entscheidung konnte ich leider nicht sofort treffen, ich musste erst einmal überlegen und das Ganze verdauen. Ok, getrennt das Bad zu benutzen und zu essen werde ich schon hinkriegen und auch das regelmäßige Putzen und Reinigen ist kein Problem, aber meine Kinder und meinen Mann nicht in die Arme nehmen zu können, das wird echt schwierig.
Vor allem mit meiner kleinen Tochter. Sie braucht mich noch, sie kommt nachts zu mir, um zu kuscheln. Wie soll ich das machen? Ich entschied mich, ihr die Entscheidung zu überlassen. Wir klärten die Kinder auf. Die Kleine reagierte sehr ängstlich und unsicher. Sie nahm sofort Abstand zu mir. Das war ein komisches Gefühl, irgendwie schon sehr verletzend. Sie gab sich Mühe mir fast den ganzen Vormittag aus dem Weg zu gehen, dabei wirkte sie sehr unsicher. Gegen Nachmittag nahm ich sie zu mir und sagte, sie solle mit mir in die Quarantäne gehen. Wir schaffen es nicht sooooo lange voneinander getrennt zu sein. Nun gibt es zu Hause eine „Frauen-Gang“ und eine „Männer-Gang“. Wir versuchen diese Zeit möglichst locker und mit viel Humor zu gestalten und das klappt ganz gut.
Als meine ganze Familie von unserer Situation erfuhr, hatten alle Mitleid mit mir. Sie wissen alle ganz genau, wie schwer es mir fällt, zu Hause zu bleiben. Denn ich bin gern unterwegs. Es ist wirklich schwer für mich nicht rauszufahren und „eingesperrt“ zu sein. Nichtsdestotrotz sehe ich dies jetzt positiv. Vielleicht lerne ich ja noch etwas häuslicher zu werden.
Sontka, Wernessa und ich bleiben die ganze Zeit in Kontakt. Der Austausch tut uns gut, mir jedenfalls. Mein Körper weist keinerlei der aufgeführten Symptome auf, aber in meinem Kopf dreht sich sehr viel. Jedes Zwicken, jede Schwäche und jedes Niesen wird im Kopf gleich analysiert. Man ist sehr kritisch mit sich selber und auch sehr ängstlich. Dieses Gefühl kann ich ehrlich gesagt schlecht beschreiben. Natürlich versuche ich mich abzulenken, das ist aber nicht so einfach. Sonst geht es mir gut und auch das werden wir 4 überstehen.
Eure Nadja