Als wir Mitte Juni den Deutschen Kitapreis erhielten titelte die BILD-Zeitung: „In dieser Kita kommt nix weg!“ Eine schöne Schlagzeile, die aber tatsächlich zutrifft. Denn in unserer Einrichtung setzen wir stark und ganz gezielt auf die Wiederverwertung von Bastelmaterial und Gebrauchsgegenständen. In der Reggio-Pädagogik, nach der unsere tägliche Arbeit ausgerichtet ist, nennt sich dieses Prinzip „Remida“.
Die Remida-Idee kommt aus Reggio Emilia, eine Stadt in Norditalien mit der weltweit innovativsten Kleinkindpädagogik. Sie wurde dort 1996 als Umwelt- und Recyclingprojekt von der Kommune und dem regionalen Ver- und Entsorgungsunternehmen entwickelt. In Reggio Emilia fungiert die Remida als zentrale Verteilstelle für gebrauchte Materialien, an der sich Kitas, Schulen und andere Einrichtungen „bedienen“ können. Der klangvolle Name Remida leitet sich ab aus Midas, ein König im alten Griechenland unter dessen Händen alles zu Gold wurde und „RE“ als Kürzel für Reggio/Emilia aber auch REcycling.
In unserer Kita haben wir seit Jahren quasi eine kleine interne Remida aufgebaut. Im Atelier finden sich verschiedenste Materialien, aus denen die Kinder neue kreative Werke schaffen. Ob Kronkorken, Papierabschnitte oder alte Duschvorhänge – zu allem haben die Kinder eine tolle Idee.
Für ihre Bildungsprozesse und Auseinandersetzung mit der Welt brauchen Kinder echte Materialien, nicht nur Spielzeug. Sie brauchen reale Dinge, die sie gestalten und aus denen sie etwas entwickeln können – kurz: Materialien, die ihrem Forscherdrang gewachsen sind. Immer mehr KiTas richten so wie wir Lernwerkstätten sein, um den Kindern Gelegenheit zu bieten, selbst zu forschen und Zusammenhänge zu erkunden. Die Geschichte der Materialien – wo komme ich her und wo gehe ich hin? – ermöglicht so Umweltbildung auf kreative Weise. Kinder merken, dass es gut für die Umwelt ist, wenn weniger weggeworfen wird und man verantwortlich mit den Dingen umgeht. ErzieherInnen und Eltern lernen auf diese Weise ebenfalls die vielfältigen Ressourcen interessanter Materialien zu schätzen.
Jetzt haben wir den Remida-Gedanken weiter gesponnen und sind dabei das Projekt unter dem Titel „WiederWert“ auf breitere Füße zu stellen. Erste Gespräche sind schon mit dem Landkreis geführt worden. Das Interesse seitens des Landrates Olaf Meinen ist da.
So stellen wir uns vor, eine Halle und Geschäftsräume anzumieten und dieses „Lager“ anderen Kitas, Schulen und Institutionen zugänglich zu machen, sodass auch sie auf das Material zugreifen können.
Kurz und knapp:
+ eine Remida fungiert quasi als Materialvermittlung: Sie steht für die Idee, dass Materialien, die in Industrie, Handel, Handwerk und Gewerbe abfallen, wunderbare Ressourcen zum Spielen, Bauen, Konstruieren, Forschen und Gestalten in sozialen und Kultureinrichtungen sind
+ Firmen überlassen der Remida ihre sauberen, ungiftigen Reste, Produktionsabfälle, Muster und Mängelexemplare
+ Kitas, Schulen und Kulturprojekte suchen sich die ungewöhnlichen Materialien für ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wieder aus
+ Die Dinge werden anregend präsentiert und fordern zum Neuentdecken und Zweckentfremden heraus. Die Remida weckt das Bewusstsein für Materialreichtum und zeigt die Schönheit des Abfalls. Die Remida verknüpft auf diese Weise die Ziele Kreativität, Bildung und Nachhaltigkeit.
+ Workshops und Vorträge „vor Ort“ sollen Mitarbeiter von Kitas, Schulen und anderen Einrichtungen für das Thema sensibilisieren
+ Kreativ-Ideen und Hintergrund-Infos auf der Homepage der Remida/Ideen-Pool aus allen Kitas
+ Remida nicht nur als Depot, sondern als kulturelles Zentrum des Austausches und des Miteinanders
Habt Ihr vielleicht ähnliche Projekte in Eurer Umgebung und mögt Eure Erfahrungen teilen? Dann schreibt uns an info@pinguin.tv. Wir freuen uns über jede Meldung!